Die europäische Chemieindustrie befindet sich in einem strukturellen Umbruch. Denn hohe und volatile Energiepreise haben die Produktionskosten in die Höhe getrieben und drücken bei den Betreibern auf die Rentabilität. Die Rahmenbedingungen benachteiligten die Branche schon seit längerem gegenüber der US-Konkurrenz, heißt es in einem Report des Kreditversicherers Atradius (Amsterdam / Niederlande). Dessen Analyst Olaf Gierlichs-Steffens geht davon aus, dass die Kluft sogar noch größer wird, weil die Unternehmen in den USA dank des Schiefergas-Booms von günstigem Gas profitierten. Dessen Aufschwung – zwischen 2005 und 2023 wurde die Gasproduktion verdoppelt, und die Preise fielen um mehr als 70 Prozent – hatte Investitionen in den US-Chemiesektor befeuert und sein Wachstum vorangetrieben.
In Europa ging die Chemieproduktion in den vergangenen Jahren hingegen zurück: laut Atradius um 4 Prozent im Jahr 2022 und um 7 Prozent im Jahr 2023. Die hohen Energiekosten verringerten die Wettbewerbsfähigkeit, und Unternehmen richteten ihre Investitionen lieber auf Regionen mit besseren Wachstumsperspektiven. Das Problem mit der teuren Energie verschärfte sich, als Europa sich infolge von Moskaus Angriffskrieg auf die Ukraine von russischem Gas abkoppelte und stattdessen auf teurere LNG-Importe aus den USA und Norwegen setzte.