Dr. Oliver Möllenstädt, GKV (Foto: GKV)
Der bislang für Kreislaufwirtschaftsthemen zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans geht. Zu seinem Nachfolger wurde der EU-Technokrat Maroš Šefcovic berufen. Welche Auswirkungen hat der für die deutsche Kunststoff- und Chemieindustrie? – Kunststoff Information (KI, Bad Homburg; ) hat bei wichtigen Verarbeiterverbänden nachgefragt.
Dr. Oliver Möllenstädt, Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie (GKV, Berlin; ): „Mit Herrn Timmermans verliert die Kommission einen ausgewiesenen Fachmann in der Klima- und Umweltpolitik und einen geschickten Kommunikator – aber auch einen Hardliner mit wenig Interesse für die Situation der Industrie. Viel Zeit wird Herrn Šefcovic für die Einarbeitung kaum bleiben. Schließlich wird im Juni 2024 ein neues Europäisches Parlament gewählt. Dann endet auch das Mandat der Kommission von der Leyen. Die Kommission von der Leyen ist bei einigen Regulierungsvorhaben deutlich übers Ziel hinausgeschossen. Das gilt beispielsweise für eine teilweise unsägliche Detailtiefe neuer europäischer Vorschriften für Verpackungen, Batterien, Altfahrzeuge, die Taxonomie etc. Ob Herr Šefcovic daran in wenigen Monaten etwas ändern kann oder will, bezweifele ich, zumal er der Kommission auch bisher angehörte.“
Dr. Martin Engelmann, Hauptgeschäftsführer bei der IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen (IK, Bad Homburg; ): „Von Herrn Šefcovic wird lediglich erwartet, das schwere Erbe Frans Timmermans zu verwalten. Unter dessen Führung hat die Kommission in den vergangenen knapp vier Jahren eine Regulierungswelle ohne Vorbild losgetreten, um die mit dem Green Deal verknüpften Hoffnungen umzusetzen. Vieles davon ist bereits in Kraft getreten, manches – wie die EU-Verpackungsverordnung – befindet sich auf der Schlussgeraden der Gesetzgebung. Neue Initiativen der Kommission haben angesichts der wenigen Monate bis zur Neuwahl des EU-Parlaments Anfang Juni 2024 kaum Chancen auf Realisierung. Auch für bereits gestartete Projekte wie die Novelle der Abfallrahmenrichtlinie ist fraglich, ob eine Einigung zwischen Parlament und Mitgliedstaaten zeitlich überhaupt noch realistisch ist.“
Sven Weihe, Interims-Geschäftsführer beim pro-K Industrieverband langlebige Kunststoffprodukte und Mehrwegsysteme (Frankfurt am Main; ): „Die EU-Kommission sollte unter dem neuen „Green Deal“-Verantwortlichen von ihren Klima- und Umweltbemühungen nicht ablassen – nur bitte mit Augenmaß und ohne eine Ausweitung der Bürokratie. Šefcovic ist ja eine Art Urgestein innerhalb der EU-Kommission und folglich mit den dortigen Abläufen, Kompromissfindungsprozessen und zentralen Projekten vertraut. Deshalb gehe ich nicht davon aus, dass das Tempo rund um den Green Deal nachlassen wird. Angesichts der steigenden Unsicherheiten und Belastungen für Staatshaushalte und Verbraucher gilt allerdings generell, dass die angedachten Nachhaltigkeitsmaßnahmen nicht zu einer Überforderung von Unternehmen und Menschen führen dürfen. Hauptaufgabe des neuen Klimaschutzkommissars dürfte es aber zunächst sein, die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Green Deal wieder zu erhöhen.
Michael Weigelt, Geschäftsführer beim Verband Technische Kunststoff-Produkte TecPart (Frankfurt am Main; ): „Uns als TecPart ist es wichtig, dass der Umgang mit unserem Werkstoff sich nicht durch Bilder von anderen Kontinenten leiten lässt, auf die Europa mit Symbolpolitik und fragwürdigen Produktverboten reagiert. Der Green Deal will den Klimaschutz fördern. Hier sind Kunststoffprodukte ein wesentlicher Wegbereiter, insbesondere dann, wenn bereits eine funktionierende Kreislaufwirtschaft wie in Deutschland existiert. Daher setzen wir große Hoffnung auf einen gemeinsam erarbeiteten Weg zu einem pragmatischen und real erreichbaren Umwelt- und Klimaschutz mit Kunststoffprodukten. Dieser Weg beinhaltet Regelungen ohne bürokratische Hürden und aufwändige Nachweispflichten. Den Pragmatismus, den wir jetzt brauchen, kennen die EU-Ostländer – das weiß ich aus eigener Erfahrung.