Christian Preiser, Chefredakteur KI (Foto: KI)
Die wirklich adäquate Reaktion kam von Susanne Daubner: Als die „Tagesschau“-Sprecherin die Nachricht vom „Chemiegipfel“ im Kanzleramt verlesen wollte, brach sie in einen Lachkrampf aus. Die Szene ist amüsant anzuschauen. Doch eigentlich müsste das Lachen uns allen, die wir mit der Polymer- und Chemiebranche in der einen oder anderen Form verbandelt sind, im Hals steckenbleiben: Denn die Lage ist ernst und dass der Chemiegipfel nicht nur in der „Tagesschau“ zur ergebnislosen Lachnummer verkam, ist ein niederschmetternder Befund.
Zwei Stunden lang saß am gestrigen Mittwoch eine 23-köpfige Riesenrunde im Kanzleramt beisammen. Die Teilnehmerliste liest sich wie das Who’s who der deutschen Spitzenpolitik sowie der Managerelite der Chemieindustrie. Rein rechnerisch hätte also jeder der Anwesenden fünf Minuten Redezeit gehabt, um seine Sorgen, Nöte und Wünsche vorzutragen, die Situation zu kommentieren und seine Lösungsideen zu präsentieren. Schon das zeigt die Absurdität der Talkshow „Chemiegipfel“. Deutschlands drittgrößte Wirtschaftsbranche taumelt gen Abgrund – und die Politik glaubt, den existenziellen Problemen mit einer Art Speeddating-Format begegnen zu können? 550.000 Jobs stehen im Feuer, und Scholz lädt die Altvorderen zu 300-Sekunden-Statements? Lachhaft, wenn es nicht so traurig wäre.
Was bleibt? Vor allem ein schales Gefühl von verpasster Chance und verlorener Zeit – und die nagende Ungewissheit, wie es mit dem Industriestandort Deutschland weitergehen soll, wenn es noch nicht einmal die versammelten Spitzenfunktionäre aus Politik und Wirtschaft schaffen, sich auf eine Minimalagenda zu verständigen. Das ist armselig – zum Lachen kann in der Chemie- und Kunststoffindustrie spätestens nach dem Farce-Gipfel von gestern niemandem mehr zu Mute sein.
Christian Preiser, Chefredakteur KI