Miteinander statt gegeneinander: Ron Marsh plädiert für Einigkeit in der Kunststoffindustrie (Foto: KI)
KI: Vor Kurzem haben Sie davor gewarnt, dass die Energiekostenzuschläge mancher Erzeuger drohten, die kunststoffverarbeitende Industrie in den Ruin zu treiben. Halten Sie die Situation tatsächlich für so dramatisch?
Ron Marsh: Absolut. Wir haben das sehr bewusst so formuliert. Wenn die Energiekosten auf dem derzeitigen Niveau bleiben oder sogar noch steigen (was ja einige bereits prognostizieren), wären die Folgen für die Kunststoffverarbeiter katastrophal. Denn die wenigsten können diese Kosten an ihre Kunden weitergeben.
KI: Halten Sie die Energiezuschläge denn grundsätzlich für berechtigt?
Marsh: Grundsätzlich ja, und das stellen auch die Kunststoffverarbeiter nicht in Abrede. Ihnen ist klar, dass die Energiekosten überall in die Höhe geschossen sind. Das merken die Unternehmen ja auch in der eigenen Produktion. Die Frage ist: Wie gehen sie damit um – und können sie die Teuerungen weitergeben? Wir kritisieren die Energiekostenzuschläge also nicht prinzipiell, sondern eher die Art und Weise, wie sie umgesetzt werden.
KI: Was können die Kunststoffverarbeiter tun, um aus ihrer „Sandwich-Position“ zwischen Erzeugern und Kunden herauszukommen?
Marsh: Dies ist das traditionelle Dilemma der Kunststoffverarbeiter: Sie sind gefangen zwischen großen, globalen Lieferanten und ebenso großen Kunden, während die Branche selbst stark fragmentiert ist. Bislang haben die Verarbeiter darauf reagiert, indem sie sich selbst konsolidiert haben. Doch das hat Grenzen: Denn die Materialien differenzieren sich immer weiter aus, was ihre Funktionalitäten und Einsatzgebiete angeht. Je spezialisierter die Unternehmen sind, umso schwieriger wird eine Konsolidierung. Daher kommt es darauf an, dass sich die gesamte europäische Kunststoffindustrie als Einheit versteht. Nur wenn alle Handelspartner entlang der Wertschöpfungskette aufeinander Rücksicht nehmen, werden sie langfristig Erfolg haben – und überleben.
Ron Marsh ist Chairman der 2015 ins Leben gerufenen Brancheninitiative „Polymers for Europe Alliance“ beim europäischen Dachverband der Kunststoffverarbeiter European Plastics Converters. Bis 2013 war er CEO des britischen Verpackungsherstellers RPC (Rushden / Großbritannien).